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INTERVIEW

Helge Timmerberg

im Gespräch mit Martin Janik

Helge Timmerberg, in drei Sätzen: Worum geht es in Ihrem Buch?

1. Andere Länder, andere Kiffer.

2. Ist Cannabis gut, ist Cannabis schlecht, oder ist Cannabis einfach nur Cannabis, mit dem man gut oder schlecht umgehen kann?

3. Cannabis und ich.

 

In der Reihenfolge?

Nein, die Themenstränge vermischen sich, so ist das Leben. Ich reiste halt dem Cannabis hinterher: in Länder, die es bereits legalisiert haben, in Länder, die traditionell viel Erfahrung damit haben, in Länder, aus denen es kommt. Weil ich a) gern reise, b) gern kiffe und c) Fragen hatte. Wie fühlt sich legales Kiffen eigentlich an? Ohne die Paranoia vor der Polizei, aber auch ohne den Nimbus des Rebellen. Ist das entspannender oder langweiliger? In Thailand, wo über Nacht Marihuana so legal wie Kartoffeln wurde, fragte ich mich, ob Bangkok bekifft noch mehr Spaß macht, kam aber zu dem Schluss, dass ich mit Alkohol den Sextourismus besser ertragen kann.

 

Ihr Buch ist also kein nüchtern argumentierendes Sachbuch – was ist es dann?

Ich habe schon in den frühen Achtzigerjahren damit begonnen, Geschichten so zu schreiben, wie ich sie auch meinen Freunden in der Küche erzählen würde. Damals nannte man das New Journalism. Später wurde Pop Literatur daraus, aber mir gefällt Literary Nonfiction als Klassifizierung für diesen Stil am besten. Er ist nie nüchtern, sondern immer berauscht von den Möglichkeiten der Sprache. Und was die Sachlichkeit angeht: Ich habe viele Erfahrungen mit Cannabis. Ich weiß, worüber ich schreibe.

 

Was spricht aus Ihrer Sicht für die Cannabis-Legalisierung?

In den USA finden mittlerweile 76 Prozent aller Amerikaner den Cannabis-Konsum moralisch akzeptabel. Bei den Liberalen stimmten 83 und bei den Konservativen 51 Prozent dafür, also die Mehrheit in beiden Lagern. Marihuana ist da in der Mitte der Gesellschaft angekommen. In Thailand hat es die Mitte offenbar nie verlassen. Nach der Legalisierung sollten sich dort alle, die Cannabis selbst anbauen wollten, bei der Gesundheitsbehörde dafür registrieren lassen. Am ersten Tag machten das über 6 Millionen Menschen, und die Homepage brach zusammen. Was ich damit sagen will: Eine Politik, die die Mitte der Gesellschaft kriminalisiert, hat sie nicht alle. Das funktioniert nicht. Cannabis war weltweit fast ein Jahrhundert lang verboten, trotzdem wurde es die am meisten konsumierte illegale Droge. Wer kiffen will, der kifft. Verbote ändern daran nur, dass der Konsum unübersichtlicher, unkontrollierter und ungesünder wird, weil die Mafia keine Reinheitsgebote akzeptiert.

 

Und was spricht dagegen?

Gegen die Legalisierung von Cannabis spricht gar nichts, gegen den Konsum gibt’s hier und da schon was einzuwenden. Ich kenne die Droge zu gut, um sie zu verherrlichen. Ich kenne die Kiffer-Paranoia, ich kenne die Abhängigkeit, ich kenne den Krümel zu viel, der dich zum Esel macht, wie den korrekten Krümel, der die Kreativität entfacht – und ich schreibe darüber, ich lass da nichts aus. Glücklicherweise habe ich keine Mission. Ich mache mich nur auf: Schaut her, so ist das Kifferleben. Und das ist der persönliche Strang in dem Buch.

 

Aber noch einmal zu »Andere Länder – andere Kiffer«. Welche Unterschiede haben Sie gesehen?

Auf Malta, dem ersten Staat, der innerhalb der EU die Marihuana-Prohibition beendet hat, ist Cannabis total legal, aber man kriegt es nirgendwo. Nicht als Tourist. Es gibt keine Shops dafür. Die maltesischen Kiffer bauen es entweder selbst an oder holen es sich als Medizin mit einem Rezept vom Arzt, aber auch dafür gibt es auf ganz Malta nur zwei Apotheken. Wenn ich sage, man kriegt als Tourist kein Cannabis, dann meine ich natürlich, man kriegt es nicht legal, sondern nur traditionell: Ein Taxifahrer schloss für mich die Lücke in der Handelskette. Alles Weitere war gesetzestreu. Ich durfte es durch die Straßen tragen, ich durfte es auf dem Hotelbalkon rauchen, ich durfte es offen im Zimmer liegen lassen. Wunderbar! Und, ach ja, man sieht auch nicht viel von der Legalisierung. Keine Werbung. Man will keinen Kiffer-Tourismus und keinen Cannabis-Kommerz. Das krasse Gegenteil davon ist Kalifornien. Plakatwände im Lastwagenformat preisen über dem Sunset Boulevard Cannabis an, und statt des Cowboys im Sonnenuntergang steht da ein Gitarrenmann im Regenbogenland. Shops gibt’s an jeder Ecke, und sie bieten Cannabis in allen nur denkbaren Erscheinungsformen an: rauchbar, trinkbar, essbar, es gibt THC-Truthahnsoßen, es gibt Cannabis-Hundefutter, für jeden Geschmack ist was dabei. Und ich warne in diesem Zusammenhang vor den Müsliriegeln, die nach dem Verzehr wie ein mit THC beladener Sattelschlepper durchs Gehirn rasen. Die sind in Thailand übrigens verboten, dafür haben die Thais mit der Legalisierung sofort alle aus dem Gefängnis entlassen, die dort wegen Marihuana-Delikten saßen. In den USA sitzen sie da immer noch, während drumherum die Cannabisindustrie mittlerweile über 30 Milliarden Dollar pro Jahr erwirtschaftet. Es gibt eine Menge Unterschiede bei der Cannabis-Legalisierung. Die Welt ist halt bunt.

 

Wieso regen sich bei uns viele Leute eigentlich über die Cannabis-Legalisierung auf, finden es aber völlig normal, regelmäßig Alkohol zu trinken?

Gehirnwäsche. Fast hundert Jahre lang. Die Leute sagen, Cannabis ist Rauschgift, aber Alkohol ist Alkohol. Sie reden von Weinkultur und Drogensumpf, auf Hochzeiten wird getrunken, in der Hölle wird gekifft, solche Sachen spuken in den Köpfen der armen Gehirngewaschenen.

 

Einige Leute sagen auch, dass Cannabis eine Einstiegsdroge ist.

Die Einstiegsdroge für Kokain ist Alkohol, die Einstiegsdroge für Heroin ist die übergroße Sehnsucht nach Geborgenheit, die Einstiegsdroge für die extrem süchtig machenden Opioide und Benzos der Pharmaindustrie ist der Onkel Doktor, der mir mal gegen die Schmerzen bei einem Bandscheibenvorfall ein im Prinzip wie Opium wirkendes Medikament mit den Worten verschrieb: »Eine Pille davon am Abend, dazu ein Glas Rotwein und Bob Dylan, und du bist im Himmel.« Die psychosomatischen Wirkungen von THC können eigentlich nur der Einstieg zu den psychedelischen Drogen sein: LSD, Psilocybin-Pilze, Meskalin. Aber davon wird man nicht süchtig. Sie sind zu stark für eine Gewohnheitsdroge.

 

Wollten Sie schon mal das Kiffen aufgeben?

Wer wollte das nicht? Aber ich habe dann immer das Kiffen durch das Trinken ersetzt, und das gefiel mir überhaupt nicht. Außerdem ist Cannabis eine leichte Droge, die schwer zu entziehen ist. Es dauert sechs Wochen, bis die Gehirnzellen

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vom THC wieder völlig freigewaschen sind. Und diese Zeit, das steht fest, ist vielleicht nicht die Hölle, aber ziemlich nervig. Trotzdem mach ich manchmal einen Monat Pause, um dem Cannabis zu zeigen, wer der Herr im Haus ist. Auf den Reisen für dieses Buch kiffte ich recherchebedingt fleißig, aber als ich nach Hause kam, hörte ich einen Monat komplett damit auf. Steht auch in diesem Buch. Wie ich schon sagte: Es steht eigentlich alles drin, was man über Cannabis wissen muss.

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»Ein Körnchen Haschisch macht dich zum Weisen, das Körnchen zu viel zum Esel«, sagt ein persisches Sprichwort, und das kann Helge Timmerberg unterschreiben. 

Foto

Frederico Balboa

Los Angeles

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